Schott Komponisten

Werk der Woche – Hans Werner Henze: The Bassarids (Die Bassariden)

Da zurzeit nahezu alle Opern- und Konzerthäuser der Welt geschlossen sind, richten wir in dieser Woche den Blick auf eine aktuelle Inszenierung von Hans Werner Henzes The Bassarids – Die Bassariden. Die Produktion der Komischen Oper Berlin ist als kostenloses Video on Demand bei OperaVision zu sehen. Die Kritiken zur Inszenierung von Barry Kosky und musikalischen Umsetzung durch Vladimir Jurowski waren herausragend; es ist also eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Tiefen dieses epochalen Meisterwerks ausgiebig zu erkunden.  Das Video finden Sie am Ende dieser Seite. 

Die Handlung orientiert sich an den Bakchen des Euripides. Das Libretto entstammt der Feder von W. H. Auden und Chester Kallman. Bei seinem Antritt der Herrschaft über Theben spricht Pentheus zuallererst ein Verbot des Dionysos-Kultes aus. Wie sich später herausstellt, hat Pentheus diese Rechnung jedoch ohne Dionysos gemacht. Dieser kommt nämlich in Gestalt eines Fremden nach Theben und stiftet Pentheus zur heimlichen Beobachtung der nächtlichen Riten an. Dabei wird der Herrscher Thebens in Frauenkleidung durch seine eigene Mutter, Agaue, erschlagen, die ihn für ein wildes Tier hält. Das grausame Erwachen folgt am nächsten Morgen: Erst jetzt realisiert Agaue ihre Tat. Dionysos zeigt seine wahre Identität, enthüllt den vollzogenen Plan als Racheakt an Pentheus und verlangt die bedingungslose Verehrung durch das Volk von Theben.

[caption id="attachment_70475" align="aligncenter" width="600"] Hans Werner Henze (rechts) mit Regisseur Gustav Rudolf Sellner (links) und den Librettisten Chester Kallman und W. H. Auden bei der Uraufführung von "Die Bassariden" 1966 in Salzburg [Foto: Heinz Köster][/caption]

Hans Werner Henze: The Bassarids – Pole der menschlichen Existenz


Der Einakter besteht aus zwei Teilen und ist formal an eine viersätzige Symphonie angelehnt. Die große Besetzung, Komplexität des Librettos und vielschichtige musikalische Faktur machen die Aufführung von The Bassarids zu einem ambitionierten Projekt. Mit Dionysos und Pentheus stehen sich zwei Pole der menschlichen Existenz gegenüber, die auf der Grundlage des antiken Stoffes zahlreiche Bezüge zur Gegenwart zulassen.
Die Bassariden, die ich heute viel besser verstehe und die ich viel mehr liebe als damals, als ich sie schrieb, für mich bedeuten sie heute mein wichtigstes Theaterwerk. Interessant und modern und uns angehend und eigentlich auch die Jahre um 1968 angehend sind eben die Fragen: Was ist Freiheit, was ist Unfreiheit? Was ist Repression, was ist Revolte, was ist Revolution? All das wird eigentlich bei Euripides gezeigt, angedeutet, angeregt. Die Vielzahl, der Reichtum der Beziehungen, der greifbar-sensuellen Beziehungen zwischen dieser Antike, dieser Archais, und uns wird durch den Auden’schen Text hergestellt, und Euripides wird herangezogen in unsere Zeit, und zwar in einer Weise, wie es auch die brillanteste Regie mit dem griechischen Original nicht machen könnte, bei dem eben immer die Distanz zu einer anderen und lang zurückliegenden Zivilisation sich manifestiert. – Hans Werner Henze

Das Video on Demand ist noch bis zum 13. April zu sehen, eine letzte Aufführung der Produktion an der Komischen Oper Berlin ist für den 26. Juni geplant.     

Foto: © Komische Oper Berlin / Monika Rittershaus

Volker David Kirchner 1942–2020: Klang von Menschen für Menschen

"Für mich ist das Entscheidende, mit Musik Menschen anzurühren, anzuregen, zuzuhören und über ein Problem nachzudenken."

Diesem künstlerischen Programm fühlte sich der Mainzer Komponist und Bratschist Volker David Kirchner zeitlebens verpflichtet.

In seinem umfangreichen Schaffen bilden dreizehn musikdramatische Werke einen Schwerpunkt, darunter das 2000 im Rahmen der EXPO Hannover uraufgeführte Gilgamesch. Daneben stehen zwei Symphonien und zahlreiche weitere Werke für Orchester, Streichorchester sowie Solokonzerte. Kirchners Werkkatalog weist darüber hinaus ein opulentes Vokalschaffen auf, darunter auch groß angelegte Werke wie die für die Stadt Mainz komponierte Missa Moguntina (1993).

Kirchners besondere Liebe galt jedoch der Kammermusik. Ihr Repertoire hat er mit zahlreichen Werken verschiedenster Formationen bereichert, darunter vornehmlich traditionelle Besetzungen wie Streichquartett, Klaviertrio und Soloinstrument mit Klavierbegleitung.

Volker David Kirchner ist am 4. Februar nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 77 Jahren in Wiesbaden gestorben. Der Schott-Verlag ist dankbar für viele Jahre der freundschaftlichen Zusammenarbeit.

Lei Liang erhält den Grawemeyer Award 2020

Lei Liang wird mit dem prestigeträchtigen University of Louisville Grawemeyer
Award für sein Orchesterwerk A Thousand Mountains, A Million Streams ausgezeichnet. Die Auszeichnung ist der wichtigste Musikpreis für ein konkretes Werk und wird von der University of Louisville, Kentucky, ausgelobt.

In diesem Stück beschäftigt sich Liang mit dem Verlust kultureller und spiritueller Landschaften und wie deren Bewahrung gelingen kann. Lei Liangs reiche und ausdrucksstarke kompositorische Stimme spiegelt die Tiefe und Vielfalt menschlicher Erfahrungen wider. Die herausragende Verbindung von narrativen, symbolischen und lyrischen Formen in seiner Musik erweitert unser Bewusstsein für die Umwelt und lädt ein, uns einem universellen Humanismus hinzugeben.

Schott Music gratuliert Lei Liang sehr herzlich!