Allgemeine News von Schott Music

Werk der Woche – György Ligeti: Kammerkonzert

Bei allen stilistischen Wandlungen, die György Ligeti als Komponist von den 1940er bis in die 2000er Jahre durchlebt hat, ist die konzentrierte Form doch stets sein Erkennungszeichen. Den Prototyp dafür finden wir mit dem Kammerkonzert in der Mitte seines Schaffens. Vor genau 50 Jahren, am 5. April 1970 brachten Friedrich Cerha und sein Ensemble “die reihe” die ersten beiden Sätze in Baltimore zur Uraufführung. Satz III folgte im Mai in Wien, Satz IV im Oktober desselben Jahres in Berlin. 

Das Kammerkonzert steht mit seiner Besetzung für 13 Instrumentalisten zwischen solistischer Kammermusik und sinfonischer Klangfülle. Mal gelingt es Ligeti Klangfelder von orchestraler Dichte zu komponieren, mal treten die einzelnen Instrumente solistisch hervor: mit exponierten Melodielinien, die an Schönbergs und Bergs melodisch-expressive Zwölftontechnik erinnern, oder auch mit quasi kadenzierenden Soloepisoden als Ausbruch aus dem metrischen Gefüge des Ensemblespiels, wobei die einzelnen Instrumentalisten als virtuos aufspielende Solisten hervortreten.

György Ligeti – Kammerkonzert: vom Misserfolg zum Standardstück


Das viersätzige Werk ist insofern ein Konzert, als alle 13 Spieler gleichberechtigt sind und virtuose solistische Aufgaben haben. Es handelt sich also nicht um ein Wechselspiel von Soli und Tutti, sondern um ein konzertantes Miteinander aller. Die Stimmen verlaufen stets gleichzeitig, doch in verschiedenen rhythmischen Konfigurationen und meist in verschiedenen Geschwindigkeiten. [...] Das Kammerkonzert, das komplett 1970 uraufgeführt wurde, war ein totaler Misserfolg. Kritiker haben geschrieben, nach dem 2. Streichquartett sei dieses Werk ein großer Rückschritt. Im Laufe der Zeit wurde das Kammerkonzert von verschiedenen Ensembles mehrfach gespielt. Jetzt ist es wahrscheinlich ein Standardstück, weil die Besetzung günstig für solche Formationen wie zum Beispiel das Asko-Ensemble ist. Alle diese Dinge weiß der Komponist nicht im Voraus. - György Ligeti

Ligetis 100. Geburtstag am 28. Mai 2023 mag noch weit entfernt scheinen, dennoch möchten wir Sie dazu einladen, seine Musik im Hinblick darauf näher kennenzulernen. Dazu haben wir eine ausführlich kommentierte Playlist für Sie erstellt, die Sie über den unten stehenden Link erkunden können.

Werk der Woche – Hans Werner Henze: The Bassarids (Die Bassariden)

Da zurzeit nahezu alle Opern- und Konzerthäuser der Welt geschlossen sind, richten wir in dieser Woche den Blick auf eine aktuelle Inszenierung von Hans Werner Henzes The Bassarids – Die Bassariden. Die Produktion der Komischen Oper Berlin ist als kostenloses Video on Demand bei OperaVision zu sehen. Die Kritiken zur Inszenierung von Barry Kosky und musikalischen Umsetzung durch Vladimir Jurowski waren herausragend; es ist also eine ausgezeichnete Gelegenheit, die Tiefen dieses epochalen Meisterwerks ausgiebig zu erkunden.  Das Video finden Sie am Ende dieser Seite. 

Die Handlung orientiert sich an den Bakchen des Euripides. Das Libretto entstammt der Feder von W. H. Auden und Chester Kallman. Bei seinem Antritt der Herrschaft über Theben spricht Pentheus zuallererst ein Verbot des Dionysos-Kultes aus. Wie sich später herausstellt, hat Pentheus diese Rechnung jedoch ohne Dionysos gemacht. Dieser kommt nämlich in Gestalt eines Fremden nach Theben und stiftet Pentheus zur heimlichen Beobachtung der nächtlichen Riten an. Dabei wird der Herrscher Thebens in Frauenkleidung durch seine eigene Mutter, Agaue, erschlagen, die ihn für ein wildes Tier hält. Das grausame Erwachen folgt am nächsten Morgen: Erst jetzt realisiert Agaue ihre Tat. Dionysos zeigt seine wahre Identität, enthüllt den vollzogenen Plan als Racheakt an Pentheus und verlangt die bedingungslose Verehrung durch das Volk von Theben.

[caption id="attachment_70475" align="aligncenter" width="600"] Hans Werner Henze (rechts) mit Regisseur Gustav Rudolf Sellner (links) und den Librettisten Chester Kallman und W. H. Auden bei der Uraufführung von "Die Bassariden" 1966 in Salzburg [Foto: Heinz Köster][/caption]

Hans Werner Henze: The Bassarids – Pole der menschlichen Existenz


Der Einakter besteht aus zwei Teilen und ist formal an eine viersätzige Symphonie angelehnt. Die große Besetzung, Komplexität des Librettos und vielschichtige musikalische Faktur machen die Aufführung von The Bassarids zu einem ambitionierten Projekt. Mit Dionysos und Pentheus stehen sich zwei Pole der menschlichen Existenz gegenüber, die auf der Grundlage des antiken Stoffes zahlreiche Bezüge zur Gegenwart zulassen.
Die Bassariden, die ich heute viel besser verstehe und die ich viel mehr liebe als damals, als ich sie schrieb, für mich bedeuten sie heute mein wichtigstes Theaterwerk. Interessant und modern und uns angehend und eigentlich auch die Jahre um 1968 angehend sind eben die Fragen: Was ist Freiheit, was ist Unfreiheit? Was ist Repression, was ist Revolte, was ist Revolution? All das wird eigentlich bei Euripides gezeigt, angedeutet, angeregt. Die Vielzahl, der Reichtum der Beziehungen, der greifbar-sensuellen Beziehungen zwischen dieser Antike, dieser Archais, und uns wird durch den Auden’schen Text hergestellt, und Euripides wird herangezogen in unsere Zeit, und zwar in einer Weise, wie es auch die brillanteste Regie mit dem griechischen Original nicht machen könnte, bei dem eben immer die Distanz zu einer anderen und lang zurückliegenden Zivilisation sich manifestiert. – Hans Werner Henze

Das Video on Demand ist noch bis zum 13. April zu sehen, eine letzte Aufführung der Produktion an der Komischen Oper Berlin ist für den 26. Juni geplant.     

Foto: © Komische Oper Berlin / Monika Rittershaus

Werk der Woche – Thierry Pécou: Until the Lions

Am 21. März 2020 hätte die neue Oper Until the Lions von Thierry Pécou in Strasbourg ihre Uraufführung erlebt. Auch wenn die Proben nun wegen der SARS-CoV-2-Krise unterbrochen und die Premiere auf eine der folgenden Spielzeiten verschoben ist, möchten wir das Stück dennoch vorstellen. Bei der Produktion leitet Marie Jacquot das Orchestre Symphonique de Mulhouse, die indische Künstlerin Shobana Jeyasingh führt Regie und übernimmt die Choreographie. Die Opéra National du Rhin hat das Werk in Auftrag gegeben.


Until the Lions ist eine Adaptation des gleichnamigen Romans von Karthika Naïr. Der Titel stammt von einem bekannten afrikanischen Sprichwort: Solange die Löwen ihre Geschichte nicht selbst schreiben, werden nur die Jäger berühmt. In einer Abwandlung des großen hinduistischen Volksepos Mahabharata erteilt die indische Autorin in ihrem Buch den Frauen das Wort, die unter männlichem Machtmissbrauch und Krieg leiden.

Thierry Pécou – Until the Lions: Stimmen aus dem Mahabharata

Das Stück konzentriert sich auf eine Episode um die Prinzessin Amba, die vom unbesiegbaren Bhishma gedemütigt wurde und dank der Hilfe Shivas als männlicher Krieger wiedergeboren wird, um ihren Peiniger zu töten. Die Oper zeigt den Wahnsinn des Krieges, der zur völligen Zerstörung führt. In seiner Musik verwendet Pécou indische Elemente sowie solche des indonesischen Gamelans.

Auch wenn das Mahabharata aus dem Hinduismus kommt, ist seine Schönheit und sein tiefes Verständnis des Menschen universell und müsste nicht in Indien spielen. Aber weil ich ein Weltenbummler bin und einige aufregende Erfahrungen mit nordindischen Musikern gemacht habe, kommen einige indische Elemente sowie solche des indonesischen Gamelans vor. – Thierry Pécou

Werk der Woche – Joseph Haas: Die Hochzeit des Jobs

Am 15. März 2020 kommt die komische Oper Die Hochzeit des Jobs von Joseph Haas nach 60 Jahren erstmals wieder auf die Bühne. Die Premiere findet im Eduard-von-Winterstein Theater in Annaberg-Buchholz statt. Bei der Produktion dirigiert Naoshi Takahashi und Ingolf Huhn führt Regie.

Im Jahr 1944 erlebte die Oper in vier Akten und acht Bildern ihre Uraufführung an der Staatsoper in Dresden. Haas komponierte das Werk auf ein Libretto von Ludwig Andersen. Das Textbuch basiert auf der Jobsiade, einer Satire von Carl Arnold Kortum, einem Bochumer Bergarzt. Das Stück entstand im Jahr 1784 unter dem Titel: Leben, Meynungen und Thaten von Hieronymus Jobs dem Kandidaten, und wie er sich weiland viel Ruhm erwarb auch endlich als Nachtwächter zu Sulzburg starb.

 Joseph Haas – Die Hochzeit des Jobs: die Jobsiade

Die Handlung spielt in einem süddeutschen Universitätsstädtchen am Anfang des 19. Jahrhunderts. Hieronymus Jobs ist ein leichtsinniger Student, der mit Schuldenmacherei seine Mitmenschen schädigt und einen von ihnen, den Tischlermeister, ins Verderben zu ziehen droht. Die volksweise Moral der Märchen: nach der das Gute belohnt und das Böse bestraft wird.

Die Gestaltung des Jobs-Stoffes, wie sie meinem Werk zugrunde liegt, strahlt jene Heiterkeit aus, welche die Drangsale und Leiden der Welt gewiss nicht übersieht oder leugnet, sie aber dank einer unbeirrbaren optimistischen Lebensauffassung wenigstens zu mildern, wenn nicht gar zu überwinden versucht. – Joseph Haas

Bis zum 15. Mai werden sieben weitere Aufführungen von Die Hochzeit des Jobs bei der Erzgebirgischen Philharmonie Aue in Annaberg-Buchholz folgen. Eine großartige Gelegenheit, diese Opern-Rarität wieder zu erleben!

Werk der Woche – Stefan Johannes Hanke: Der Teufel mit den drei goldenen Haaren

Am 8. März feiert die Kinderoper Der Teufel mit den drei goldenen Haaren von Stefan Johannes Hanke im Staatenhaus der Oper Köln ihre Premiere. Im Jahr 2011/12 schrieb der Komponist das Werk im Auftrag der Staatsoper Hannover; nun wird dieses Musiktheater für Menschen ab 7 Jahren nach Hannover, Dresden, Basel und München auch in Köln aufgeführt werden. Bei der Produktion dirigiert Rainer Mühlbach.

Auf das Libretto von Dorothea Hartmann komponierte Hanke eine rund einstündige Oper für fünf Sänger, einen Schauspieler und Instrumentalensemble. Das Textbuch folgt dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm, erzählt dieses aber frech und modern nach. Dazu mischt er musikalische Stile in eine Weise, die die dramaturgische Gestaltung der Handlung kommentiert, unterstützt und bisweilen konterkariert.

Stefan Johannes Hanke – Der Teufel mit den drei goldenen Haaren: das unmöglich Scheinende möglich machen

In das von Lethargie und Depression besessene Königreich tritt das Glückskind und befreit dieses von seinem desolaten Zustand. Durch Selbstvertrauen, Mut und Tatendrang schafft es das unmöglich Scheinende. Das Glückskind übersteht eine Begegnung mit drei Räubern im Wald, wagt sich in die Hölle hinab, um die drei goldenen Haare des Teufels zu erbeuten, zieht des Teufels Großmutter auf seine Seite, überlistet den Teufel und gewinnt schließlich die Prinzessin für sich.

Die neue Kinderoper enthält viele komische Momente mit großartigen theatralischen Effekten. Hankes moderat neu tönende Musik zeichnet dabei der unbefangene Umgang mit Musikstilen (von Arien-Schlüssen in Dur, über dissonante Intervallsprünge bis zu Folkloreeinsprengseln) aus, vor allem aber auch ein das Libretto sensibel und wirkungsvoll unterstreichender Zugriff. – Jutta Rinas (Peiner Allgemeine Zeitung)

Bis zum 18. April werden vierzehn weitere Aufführungen von Der Teufel mit den drei goldenen Haaren im Staatenhaus Köln folgen.

 

[embed]http://www.youtube.com/watch?v=lyiWXbu23LA[/embed]

Werk der Woche – Pierre Jalbert: Ephemeral Objects

Am 28. Februar feiert die Komposition Ephemeral Objects für Klavier und Violoncello von Pierre Jalbert ihre Uraufführung. Anlässlich ihres 100-jährigen Jubiläums hat die Middlebury Performing Arts Series das Stück in Auftrag gegeben. David Finckel (Cello) und Wu Han (Klavier) werden im Middlebury College, im US-Bundesstaat Vermont, das Werk spielen.

Jalbert sagt über Ephemeral Objects, es bestehe aus sieben kontrastierenden Sätzen, die einzeln, in bestimmten Gruppierungen oder als kompletter Zyklus aufgeführt werden können. Die Musik sei mal zeitlos schwebend, mal liedhaft oder wild wie in einem Scherzo. Auch könne man Einflüsse von französisch-kanadischen Volksliedern und gregorianischem Choral hören. Für experimentelle Klänge lotete Jalbert die klanglichen Möglichkeiten der Instrumente, inklusive Inside-Piano-Effekten, aus. Der letzte, rhythmisch treibende Satz führe das Stück seinem bravourösen Finale zu.

Starke Gestik und Vitalität zeichnen Pierre Jalberts Musik aus und ziehen den Hörer unmittelbar in ihren Bann. Durch ihre reichen Klangfarben und die üppige Harmonik ist sie dramatisch fesselnd, dabei jedoch stets logisch aufgebaut. – American Academy of Arts and Letters

Jalberts Kompositionsstil wurde von einer Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse geprägt: Seine Familie stammt aus Quebec, er selbst wuchs im nördlichen Vermont auf. Durch seine frühen Vorliebe für französische und englische Volkslieder sowie für katholische liturgische Musik entstand sein tiefer Respekt für eine Musik, die kraftvoll kommuniziert.

Am 1. März wird das Duo noch einmal Ephemeral Objects im Laidlaw Performing Arts Center der University of South Alabama spielen.

Werk der Woche – Christian Jost: Egmont

Am 17. Februar findet die Uraufführung der neuen Oper von Christian Jost, Egmont, in Wien statt. Zum Beethoven-Jahr 2020 hat der Intendant des Theaters an der Wien, Roland Geyer, das Werk in Auftrag gegeben. Michael Boder wird die Oper dirigieren, Regie führt Keith Warner und auf der Bühne stehen neben anderen Angelika Kirchschlager, Maria Bengtsson, Edgaras Montvida und Bo Skovhus. 

Egmont basiert auf dem gleichnamigen Trauerspiel von Goethe, zu dem Beethoven seine berühmte Egmont-Ouvertüre schrieb. Christoph Klimke und Jost haben ein neues Libretto verfasst und die Besetzung gegenüber dem Drama sechs Personen reduziert.

Die Handlung schildert den Aufstand der Niederländer gegen die spanische Herrschaft im 16. Jahrhundert. Prinz Egmont von Gaure wird darin als Verfechter von Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit gezeigt. Diese Themen haben Beethoven ein Leben lang beschäftig. Trotzdem werden in der Oper auch aktuelle Fragen und Konflikte verhandelt: Jost geht der Frage nach, inwieweit eine Gesellschaft manipulierbar ist und ab wann ein System unabhängig von seinen moralisch-ideologischen Werten zum Kippen gelangt. Das musikalische Material seiner Oper hat Jost in komplexer Dichte und mit vorwärts drängenden Rhythmen gestaltet.

 Christian Jost – Egmont: Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit

 In meiner Oper kommt auch ein ganz anderer Teil Beethovens vor: Ausschnitte aus seinem berührenden Brief „An die unsterbliche Geliebte“. In einem fragil ziselierten Stimmensatz führt uns der konstant sechsstimmige Chor ins Innere der Figuren und hinter die Masken ihrer gesellschaftlichen Funktionen. – Christian Jost

Vier weitere Aufführungen von Egmont werden bis zum 26. Februar im Theater an der Wien folgen. Am 30. März, sechs Wochen später, wird das Gran Théâtre de Genève eine weitere Oper von Jost zur Uraufführung bringen: Voyage vers l’espoir (Reise der Hoffnung). Die deutsche Erstaufführung von Egmont wird in der Spielzeit 2020/2021 am Theater Bielefeld zu sehen sein.

Werk der Woche – Julian Anderson: Litanies

Am 12. Februar wird Pascal Rophé ein Konzert des Orchestre National de Radio France mit dem Cellisten Alban Gerhardt als Solist dirigieren. Im Rahmen des Festival Présences findet in diesem Konzert die Uraufführung von Litanies für Cello und Orchester von Julian Anderson statt.

Litanies ist eine gemeinsame Auftragskomposition von Radio France, der Hong Kong Sinfonietta, dem City of Birmingham Symphony Orchestra, des Norske Kammerorkester, des Swedish Chamber Orchestra und des Orchestre de Chambre de Lausanne. Dieses dritte Solokonzert von Anderson folgt auf das Violinkonzert In Lieblicher Bläue und The Imaginary Museum für Klavier und Orchester.

Der traditionellen dreiteiligen Liedform folgend, wenn auch ohne Pause, weist das Konzert einen zentralen langsamen Abschnitt mit lyrischen Passagen auf, die die gesanglichen Qualitäten des Instruments ausschöpfen. Der Choral am Ende dieses Abschnitts wurde in Erinnerung an Andersons verstorbenen Freund, dem Komponisten und Dirigenten Oliver Knussen, geschrieben. Die schnelleren Eröffnungs- und Schlussteile stehen dieser zentralen Bewegung gegenüber und schließen mit einem lebhaften Finale, das seine Inspiration aus dem Tanz nimmt.

Julian Anderson – Litanies: “incantatoire Stil”

Der zentrale langsame Abschnitt geriet mir zu einem ausgedehnten Trauergesang. Bis zu einem gewissen Grad drängte sich der beschwörende, incantatorische Charakter der Musik mehr und mehr in den Vordergrund. Litanies ist mein Beitrag zu dem sogenannten “style incantatoire”. – Julian Anderson

Im Verlauf des Frühjahrs folgen weitere Aufführungen von Litanies mit Alban Gerhardt: bei der Hong Kong Sinfonietta (21. März), dem City of Birmingham Symphony Orchestra (2. April) und beim Norske Kammerorkester (12. Mai).

Volker David Kirchner 1942–2020: Klang von Menschen für Menschen

"Für mich ist das Entscheidende, mit Musik Menschen anzurühren, anzuregen, zuzuhören und über ein Problem nachzudenken."

Diesem künstlerischen Programm fühlte sich der Mainzer Komponist und Bratschist Volker David Kirchner zeitlebens verpflichtet.

In seinem umfangreichen Schaffen bilden dreizehn musikdramatische Werke einen Schwerpunkt, darunter das 2000 im Rahmen der EXPO Hannover uraufgeführte Gilgamesch. Daneben stehen zwei Symphonien und zahlreiche weitere Werke für Orchester, Streichorchester sowie Solokonzerte. Kirchners Werkkatalog weist darüber hinaus ein opulentes Vokalschaffen auf, darunter auch groß angelegte Werke wie die für die Stadt Mainz komponierte Missa Moguntina (1993).

Kirchners besondere Liebe galt jedoch der Kammermusik. Ihr Repertoire hat er mit zahlreichen Werken verschiedenster Formationen bereichert, darunter vornehmlich traditionelle Besetzungen wie Streichquartett, Klaviertrio und Soloinstrument mit Klavierbegleitung.

Volker David Kirchner ist am 4. Februar nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 77 Jahren in Wiesbaden gestorben. Der Schott-Verlag ist dankbar für viele Jahre der freundschaftlichen Zusammenarbeit.

Werk der Woche – Gerald Barry: Alice’s Adventures Under Ground

Am 3. Februar wird die Oper Alice’s Adventures Under Ground von Gerald Barry im Royal Opera House ihre szenische Uraufführung erleben. Bei der Produktion dirigiert Thomas Adès, Antony McDonald führt Regie. Barry komponierte die Oper zwischen 2013 und 2015 für eine konzertante Uraufführung mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra.

Alice’s Adventures Under Ground ist Barrys sechste Oper. Vorausgegangen war The Importance of Being Earnest nach Oscar Wilde wird seit seiner Uraufführung 2011 regelmäßig auf der ganzen Welt aufgeführt. Die Handlung von Alice’s Adventures Under Ground basiert auf den bekannten Büchern Alice’s Adventures in Wonderland und Through the Looking-Glass von Lewis Carroll. Der Komponist schrieb das Libretto selbst. Wie in der vorhergehenden Oper entkernt Barry die Handlung gründlich und zerlegt sie in ein einstündiges surreal-witziges Kondensat mit zugkräftiger Musik.

Gerald Barry – Alice’s Adventures Under Ground: eine surreale und witzige Geschichte

Der Roman ist von seiner Anlage her bereits dramatisch und ein ideales Vehikel für eine Diva, männlich oder weiblich. Er liefert mir einen großartiges Material-Steinbruch für Angeberei und nimmt das Unglaubliche als gegeben, als selbstverständlich an. – Gerald Barry

Alice’s Adventures Under Ground wird am 4., 6., 8., und 9. Februar zweimal pro Tag von einer Doppelbesetzung aufgeführt. Die Koproduktion mit der Netherlands Opera und der Irish National Opera wird zu einem späteren Zeitpunkt in Amsterdam und Irland gespielt.