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Elbphilharmonie Hamburg: Online-Uraufführung von Toshio Hosokawas neuem Violinkonzert

Genesis – Schöpfung hat Toshio Hosokawa sein neues Violinkonzert genannt, das er für die Geigerin Veronika Eberle komponiert hat. Am Abend des 19. Mai 2021 gelangt es beim Internationalen Musikfest Hamburg zur Uraufführung, nachdem der Termin mehrfach verschoben werden musste. Das Konzert wird um 20:00 Uhr auf dem YouTube-Kanal des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg gestreamt. Das Orchester spielt unter der Leitung von Kent Nagano.

"Mein Violinkonzert habe ich als Geschenk für Veronika Eberle und ihr im November 2019
geborenes Kind komponiert. Im Konzert steht die Solistin symbolisch für den Menschen, während das Orchester die ihn umgebende Natur und das Universum repräsentiert. Zu Beginn spielt es wiederholte Wellenbewegungen, eine Reminiszenz an das Fruchtwasser.
Gewissermaßen aus dem Inneren dieser 'Wiege' erwächst eine Melodie der Solovioline (= das Leben). Anfangs imitiert diese die Motive des Orchesters, jedoch wird sie im Verlauf immer unabhängiger und trägt Konflikte mit ihm aus. Erst zum Ende findet diese 'Lebensmelodie' wieder zu einer Harmonie mit dem Orchester zurück und löst sich schließlich in ihm auf." Toshio Hosokawa

Toshio Hosokawa
Violin Concerto
Genesis · 18’
19. Mai 2021 | Hamburg (D)
Elbphilharmonie
Veronika Eberle, Violine
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Kent Nagano, Dirigent

Auftragswerk von: Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Hong Kong Sinfonietta, NHK Symphony Orchestra, Hiroshima Symphony Orchestra, Prager Rundfunk-Sinfonieorchester (SOČR) und Grafenegg Festival

 

Werk der Woche – Toshio Hosokawa: The Flood

In der Philharmonie de Paris findet am 16. September die Uraufführung eines neuen Werks von Toshio Hosokawa statt. Das Ensemble intercontemporain unter der Leitung von Matthias Pintscher präsentiert The Flood, ein Ensemblestück, das gemeinsam mit dem Ojai Music Festival bei dem japanischen Komponisten in Auftrag gegeben worden war. Eigentlich hätte es schon im Juni bei dem kalifornischen Festival erstmals gespielt werden sollen; wegen der Corona-Pandemie musste die Veranstaltung jedoch ausfallen. 



In The Flood setzt Hosokawa die Verarbeitung eines japanischen Traumas fort. Bereits in mehreren seiner jüngeren Werke befasste er sich mit dem Tōhoku-Erdbeben von 2011 und der daraus resultierenden Tsunami-Katastrophe. Für Hosokawa und die Kultur Japans bedeutete dies einen Einschnitt im Verhältnis von Mensch und Natur, das zuvor von Bewunderung und Liebe geprägt war, die sich in Furcht und Skepsis verwandelten. 

Toshio Hosokawa – The Flood: im Zweiklang mit der Natur


Das Ensemble intercontemporain stellt The Flood in den Kontext seines Projekt “Genesis”, in dem es das achte neue Stück mit Bezug zur Schöpfung ist. Hosokawa setzt die Wasserwellen hier in Schallwellen und -wirbel um, die sich mit Crescendo und Decrescendo wiederholen und durchdringen und versucht damit, Angst und Verzweiflung im Angesicht der entfesselten Natur zu illustrieren.
Die Flut ist den Japanern gut bekannt; nicht nur der Tsunami im Jahr 2011, sondern auch Taifune, starker Regen und Überschwemmungen haben uns häufig getroffen. Wütende Fluten zeigen uns die Kräfte der Natur und erfüllen uns gleichzeitig mit Angst, Ehrfurcht und Respekt.  Toshio Hosokawa


 

Fotos: Kazuko Ishikawa, Adobe Stock / Lichtbildmaster

Werk der Woche – Toshio Hosokawa: Meditation to the victims of Tsunami (3.11)

+++ Nachdem der folgende Text veröffentlicht wurde, erfuhren wir, dass auch der Live-Stream des Konzerts abgesagt werden musste. +++

Das NHK Symphony Orchestra spielt am 11. April in seinem live-Stream Toshio Hosokawas Meditation to the victims of Tsunami (3.11). Eigentlich hätte dieses ein öffentliches Konzert mit einer Wiederholung am Folgetag werden sollen. Durch die Einschränkungen der COVID-19-Krise wird Dirigent Leonard Slatkin nicht nach Tokio reisen können und durch Masaru Kumakura vertreten. Außerdem wird das Konzert nur einmal vor leerem Auditorium gespielt.  

Hosokawas Werke sind immer auch Gebete eines nach dem Zweiten Weltkrieg in Hiroshima Geborenen. Seine Geburtsstadt ist oft Thema seiner Musik, in der sich sein spiritueller Schmerz spiegelt: teils expressiv, teils voll Schweigen und Stille, wie in Memory of the Sea und Voiceless Voice in Hiroshima. Jedoch ist sie nie nur Ausdruck des Trostes, der hilft, Leid zu teilen: Hosokawa glaubt an die Kraft, mit der sich Menschen aus den Abgründen tiefsten Schmerzes befreien können, und wünscht sehnlich, dass die Menschheit wieder Hoffnung findet. Nach dem Tohoku-Erdbeben vom 11. März 2011, das im japanischen Gedächtnis noch sehr frisch ist, begann Hosokawa, neu über das Leben nachzudenken.

In seinen jüngsten Werken Meditation to the victims of Tsunami (3.11), der Trauer um die Opfer des Tsunamis, Klage, in dem eine Mutter ihren Schmerz durch den Gesang überwindet, und Nach dem Sturm, der Beschreibung einer Blume, die nach einem Unwetter das Licht wiederfindet, drückt er unterschiedliche Empfindungen aus: die Angst vor der Urkraft und dem Schrecken der Natur, die Wut über die selbst verursachte Gefährdung durch die Atomkraft, aber letztlich auch den Blick auf Menschen, welche die Kraft finden, in schwierigsten Zeiten stark und mutig zu leben.
Mein musikalisches Konzept ist die Suche nach Harmonie zwischen Natur und Mensch. Deshalb war der Tsunami von 2011 ein großer Schock für mich. Die Natur ist eben nicht nur schön und nett, sondern manchmal auch sehr grausam. Wir Japaner haben wohl die Ehrfurcht vor der Natur verloren. - Toshio Hosokawa