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Werk der Woche – Carl Orff: Die Bernauerin

Zum 125. Geburtstag des Komponisten Carl Orff am 10. Juli 2020 sollte Die Bernauerin beim Orff Festival erstmals in einer reduzierten Fassung für kleinere Bühnen und Ensembles aufgeführt werden. Coronabedingt verschob man die erste Aufführung der neuen Version von Paul Leonard Schäffer auf den 4. August 2021. Welche Spielstätte könnte dem „bairischen Stück“ besser gerecht werden als der Florian-Stadl des Klosters Andechs, in dessen Wallfahrtskirche Orff beigesetzt wurde?
„Ich bin ein Altbayer, in München geboren und diese Stadt, dieses Land, diese Landschaft haben mir viel gegeben und mein Wesen und Werk mitgeprägt.“ (Carl Orff)

Mit Die Bernauerin setzte Carl Orff seiner Heimat ein Denkmal, das sowohl von Friedrich Hebbels gleichnamigem Drama als auch von altem Liedgut inspiriert ist. Das Stück erzählt die bewegende Geschichte der Agnes Bernauer, die im 15. Jahrhundert in einer nicht standesgemäßen Ehe mit Albrecht dem III. von Bayern lebte. Orff betrieb intensive Studien, um sein Libretto in authentischer bayerischer Sprache des 15. Jahrhunderts zu verfassen. Wort und Musik erhalten dasselbe Gewicht, und die mundartliche Färbung wird zum lautmalerischen und rhythmischen Element der dramatischen Form.

Illustration: Die Bernauerin, Staatsoper Stuttgart 1965 · Figurinen von Liselotte Erler

 

"Der Rosenkavalier" an der Bayerischen Staatsoper: Online-Uraufführung der reduzierten Fassung

Am 21. März 2021 feiert Der Rosenkavalier von Richard Strauss an der Bayerischen Staatsoper München Premiere. Es ist gleichzeitig die Uraufführung der neuen Fassung für eine kleinere Orchesterbesetzung von Eberhard Kloke, die sich an der Instrumentierung von Ariadne auf Naxos orientiert.  Die Inszenierung von Barrie Kosky wird mit Spannung erwartet. In den Hauptrollen der hochkarätig besetzten Produktion sind Marlis Petersen als Feldmarschallin, Christof Fischesser als Baron Ochs von Lerchenau, Katharina Konradi als Sopie, Samantha Hankey als Octavian und Johannes Martin Kränzle als Herr von Faninal zu erleben. Am Pult steht Vladimir Jurowski.

Der Bearbeiter Eberhard Kloke über seine neue Fassung:

Bei der vorgenommenen Transkription geht es um eine Veränderung des Klangbildes und damit der Klangstruktur innerhalb des Orchesters sowie der Balance zwischen Bühne und Orchester.


Im Vordergrund stehen besetzungstechnische Vorteile durch variable Besetzungsalternativen im Hinblick auf schlankere Stimmen. Das kommt wiederum der Textverständlichkeit und Transparenz zugute und entspricht damit auch grundsätzlich der musik-theatralischen Anlage des Stückes als Konversationsstück.


Die Orchesterbesetzung ist komprimiert auf die Stärke eines mittelgroßen Orchesters. Die Mischung und Balance zwischen Streichern und Bläsern wurde neu konzipiert. Der üppig-fette, durch wiederholte Parallelschaltung (Verdopplung) von Bläsern und Streichern verursachte Strauss-Klang wird an vielen Stellen aufgebrochen, um das Klangbild zu verschlanken und differenziertere Klangschärfung zu erreichen.


Somit wird sowohl Klangerweiterung als auch Klangverdichtung erzielt, der Instrumentationsgestus zielt auf weniger Mischklang zugunsten von extremeren Spaltklängen. Dabei weist der häufige Einsatz von Klavier, Harfe, Celesta und Harmonium immer auf klangliche Parallelitäten zum Ariadne-Orchester.



Die Premiere um 15:30 Uhr wird kostenfrei auf der Plattform Staatsoper.TV gestreamt und bei BR Klassik übertragen. Am 22. März wird die Aufzeichnung des Streams um 19:00 Uhr wiederholt.

 

Szenenfoto: © Bayerische Staatsoper / Wilfried Hösl
Portrait Eberhard Kloke: privat

Uraufführung eines Henze-Violinkonzerts im Livestream

Am 4. Februar 2021 gelangt die Konzertmusik für Violine und kleines Kammerorchester von Hans Werner Henze zur Uraufführung. Nachdem 2020 mehrere Konzerte abgesagt werden mussten, in dem das Stück hätte gespielt werden sollen, ist es nun in der Sendereihe "Horizonte" des Bayerischen Rundfunks zu hören. Unter der Leitung von Peter Tilling hat das Münchner Ensemble risonanze erranti das Werk im Studio eingespielt. Die Ur-Sendung um 22:05 Uhr am 04.02. gilt als Uraufführung.

Mit der Konzertmusik veröffentlicht Schott das bislang früheste Werk von Hans Werner Henze. Er schrieb es im Alter von 17 Jahren, noch bevor er sich mit Ende des Zweiten Weltkriegs sehr intensiv dem Komponieren widmen konnte und kurz darauf in den Verlag aufgenommen wurde.

Das Werk ist erkennbar von Paul Hindemith inspiriert. In der ausgesprochen kammermusikalischen Faktur übernehmen immer wieder Instrumente aus dem Ensemble – etwa Flöte, Trompete und die erste Violine I – solistische Passagen oder begleiten die Solovioline nur zu zweit oder zu dritt. Im Finale entspinnt sich aber zusehends ein "echtes" virtuoses Violinkonzert en miniature.

Porträt Hans Werner Henze: © Schott Music / Hans Kenner, 1955

Uraufführung in Reutlingen: Adagio von Fazil Say zum Jubiläum der Württembergischen Philharmonie

Am 16. November bringt die Württembergische Philharmonie Reutlingen Adagio von Fazil Say zur Uraufführung. Unter der Leitung des ehemaligen Chefdirigenten Ola Rudner erklingt damit ein neues Orchesterwerk, das Say dem Orchester zum 75jährigen Bestehen – und bereits unter dem Eindruck der Coronakrise – komponierte.

Das Konzert ist über den unten stehenden Link ab 20:15 im Livestream zu sehen. Sie können die Partitur des Stücks auf unserer Website herunterladen und beim Hören mitlesen.

Werk der Woche – Gerald Barry: No People.

Am 18. Oktober bringen das Ensemble Musikfabrik und Dirigent Mariano Chiacchiarini im Rahmen der Donaueschinger Musiktage Gerald Barrys neues Werk No People. für 13 Instrumente zur Uraufführung. Die Komposition wurde vom SWR in Auftrag gegeben und ist eine Fassung eines gleichnamigen früheren Werks von Barry. 



Hinweis der Redaktion:
Nach Veröffentlichung dieses Artikels wurden die Donaueschinger Musiktage 2020 leider abgesagt. Wir möchten Ihnen dieses interessante Werk dennoch vorstellen. 









Der Titel, No People., bezieht sich auf den Gedichtszyklus New Impressions of Africa des Surrealisten Raymond Roussel von 1932. Für dessen Erstveröffentlichung ließ der Dichter 59 Illustrationen anfertigen. Den Auftrag dazu erhielt der Zeichner Henri-Achille Zo über eine Detektei, sodass er von seinem eigentlichen Auftraggeber nichts wissen konnte und ohne Kenntnis der Gedichte. Ihm wurden nur simple Anweisungen übergeben, etwa “Nächtliche Landschaft. Stark sternenbedeckter Himmel mit dünner Mondsichel. (Keine Personen.)”, woraufhin die Zeichnungen entstanden. 
Zusammengenommen haben die gewöhnlichen Alltagszeichnungen eine Befremdlichkeit, die sie vielleicht nie erreicht hätten, wenn der Illustrator die Hintergründe und Texte gekannt hätte. Diese Gegenüberstellung der Unwissenheiten - Gedichten und Zeichnungen - gibt dem fertigen Werk seine bizarre Qualität. (Gerald Barry)

No People. wird bei am Uraufführungstag in Donaueschingen zweimal gespielt, um 11 Uhr und um 15 Uhr, um einem möglichst großen Publikum die Möglichkeit zu geben, das Konzert zu hören.

Werk der Woche – Toshio Hosokawa: The Flood

In der Philharmonie de Paris findet am 16. September die Uraufführung eines neuen Werks von Toshio Hosokawa statt. Das Ensemble intercontemporain unter der Leitung von Matthias Pintscher präsentiert The Flood, ein Ensemblestück, das gemeinsam mit dem Ojai Music Festival bei dem japanischen Komponisten in Auftrag gegeben worden war. Eigentlich hätte es schon im Juni bei dem kalifornischen Festival erstmals gespielt werden sollen; wegen der Corona-Pandemie musste die Veranstaltung jedoch ausfallen. 



In The Flood setzt Hosokawa die Verarbeitung eines japanischen Traumas fort. Bereits in mehreren seiner jüngeren Werke befasste er sich mit dem Tōhoku-Erdbeben von 2011 und der daraus resultierenden Tsunami-Katastrophe. Für Hosokawa und die Kultur Japans bedeutete dies einen Einschnitt im Verhältnis von Mensch und Natur, das zuvor von Bewunderung und Liebe geprägt war, die sich in Furcht und Skepsis verwandelten. 

Toshio Hosokawa – The Flood: im Zweiklang mit der Natur


Das Ensemble intercontemporain stellt The Flood in den Kontext seines Projekt “Genesis”, in dem es das achte neue Stück mit Bezug zur Schöpfung ist. Hosokawa setzt die Wasserwellen hier in Schallwellen und -wirbel um, die sich mit Crescendo und Decrescendo wiederholen und durchdringen und versucht damit, Angst und Verzweiflung im Angesicht der entfesselten Natur zu illustrieren.
Die Flut ist den Japanern gut bekannt; nicht nur der Tsunami im Jahr 2011, sondern auch Taifune, starker Regen und Überschwemmungen haben uns häufig getroffen. Wütende Fluten zeigen uns die Kräfte der Natur und erfüllen uns gleichzeitig mit Angst, Ehrfurcht und Respekt.  Toshio Hosokawa


 

Fotos: Kazuko Ishikawa, Adobe Stock / Lichtbildmaster

Werk der Woche – Jörg Widmann: Zeitensprünge

Auf eine stolze Geschichte von 450 Jahren blickt die Staatskapelle Berlin zurück. 1570 wurde sie als “Kurfürstliche Hofkapelle” erstmals urkundlich erwähnt. Für den Festakt am 11. September 2020 hat das Orchester Jörg Widmann mit der Komposition eines neuen Werks beauftragt. Zeitensprünge heißt die neue Komposition, die nun unter der Leitung von Daniel Barenboim in der Staatsoper Unter den Linden uraufgeführt wird. 

Auf musikalische Zeitreisen und auf stilistische Seitensprünge verweist Widmann mit seinem vielsagenden Titel. Denn in Zeitensprünge nimmt er immer wieder die Ästhetik verschiedener Epochen in der Geschichte des Orchesters in den Blick: Gleich am Anfang spielt ein Ensemble hinter der Bühne einen Renaissance-Tanz, etwa im Stil von Tilman Susato. Erst nach dem die Musizierenden nach und nach die Bühne betreten, wird das Dirigieren “erfunden” und ein Konzert nach heutigem Verständnis entspinnt sich.

Jörg Widmann – Zeitensprünge: ein Konzert für Orchester en miniature


Auf 450 Takte, symbolisch für das Alter des Orchesters, und damit 10 Minuten Spielzeit beschränkt sich Widmann. Doch darin verbirgt sich ein vielgestaltiges und vollgültiges Konzert für Orchester. Alle Instrumentengruppen erhalten Solopassagen, es gibt Teilensembles wie Fanfaren, mittelalterliche Bläsermusik und Gamben-Consorts sowie eine Fülle musikalischer Formen bis hin zum Kanon, der wie keine andere den Einklang der Vielen symbolisiert. 
Wenn ich vor dem Notenblatt sitze, denke ich nicht unaufhörlich: Du musst etwas Neues erfinden. Überhaupt nicht. Ich habe viele Harmonien im Kopf, die es noch nicht gab, Zusammenklänge, Kombinationen. Mein Problem ist es, dafür eine Form zu finden. Ich bin in einer Phase, wo ich mir neue Formen erkämpfe. - Jörg Widmann


Fotos: Marco Borggrve, Adobe Stock / spuno

Werk der Woche – Pierre Jalbert: Ephemeral Objects

Am 28. Februar feiert die Komposition Ephemeral Objects für Klavier und Violoncello von Pierre Jalbert ihre Uraufführung. Anlässlich ihres 100-jährigen Jubiläums hat die Middlebury Performing Arts Series das Stück in Auftrag gegeben. David Finckel (Cello) und Wu Han (Klavier) werden im Middlebury College, im US-Bundesstaat Vermont, das Werk spielen.

Jalbert sagt über Ephemeral Objects, es bestehe aus sieben kontrastierenden Sätzen, die einzeln, in bestimmten Gruppierungen oder als kompletter Zyklus aufgeführt werden können. Die Musik sei mal zeitlos schwebend, mal liedhaft oder wild wie in einem Scherzo. Auch könne man Einflüsse von französisch-kanadischen Volksliedern und gregorianischem Choral hören. Für experimentelle Klänge lotete Jalbert die klanglichen Möglichkeiten der Instrumente, inklusive Inside-Piano-Effekten, aus. Der letzte, rhythmisch treibende Satz führe das Stück seinem bravourösen Finale zu.

Starke Gestik und Vitalität zeichnen Pierre Jalberts Musik aus und ziehen den Hörer unmittelbar in ihren Bann. Durch ihre reichen Klangfarben und die üppige Harmonik ist sie dramatisch fesselnd, dabei jedoch stets logisch aufgebaut. – American Academy of Arts and Letters

Jalberts Kompositionsstil wurde von einer Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse geprägt: Seine Familie stammt aus Quebec, er selbst wuchs im nördlichen Vermont auf. Durch seine frühen Vorliebe für französische und englische Volkslieder sowie für katholische liturgische Musik entstand sein tiefer Respekt für eine Musik, die kraftvoll kommuniziert.

Am 1. März wird das Duo noch einmal Ephemeral Objects im Laidlaw Performing Arts Center der University of South Alabama spielen.

Werk der Woche – Christian Jost: Egmont

Am 17. Februar findet die Uraufführung der neuen Oper von Christian Jost, Egmont, in Wien statt. Zum Beethoven-Jahr 2020 hat der Intendant des Theaters an der Wien, Roland Geyer, das Werk in Auftrag gegeben. Michael Boder wird die Oper dirigieren, Regie führt Keith Warner und auf der Bühne stehen neben anderen Angelika Kirchschlager, Maria Bengtsson, Edgaras Montvida und Bo Skovhus. 

Egmont basiert auf dem gleichnamigen Trauerspiel von Goethe, zu dem Beethoven seine berühmte Egmont-Ouvertüre schrieb. Christoph Klimke und Jost haben ein neues Libretto verfasst und die Besetzung gegenüber dem Drama sechs Personen reduziert.

Die Handlung schildert den Aufstand der Niederländer gegen die spanische Herrschaft im 16. Jahrhundert. Prinz Egmont von Gaure wird darin als Verfechter von Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit gezeigt. Diese Themen haben Beethoven ein Leben lang beschäftig. Trotzdem werden in der Oper auch aktuelle Fragen und Konflikte verhandelt: Jost geht der Frage nach, inwieweit eine Gesellschaft manipulierbar ist und ab wann ein System unabhängig von seinen moralisch-ideologischen Werten zum Kippen gelangt. Das musikalische Material seiner Oper hat Jost in komplexer Dichte und mit vorwärts drängenden Rhythmen gestaltet.

 Christian Jost – Egmont: Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit

 In meiner Oper kommt auch ein ganz anderer Teil Beethovens vor: Ausschnitte aus seinem berührenden Brief „An die unsterbliche Geliebte“. In einem fragil ziselierten Stimmensatz führt uns der konstant sechsstimmige Chor ins Innere der Figuren und hinter die Masken ihrer gesellschaftlichen Funktionen. – Christian Jost

Vier weitere Aufführungen von Egmont werden bis zum 26. Februar im Theater an der Wien folgen. Am 30. März, sechs Wochen später, wird das Gran Théâtre de Genève eine weitere Oper von Jost zur Uraufführung bringen: Voyage vers l’espoir (Reise der Hoffnung). Die deutsche Erstaufführung von Egmont wird in der Spielzeit 2020/2021 am Theater Bielefeld zu sehen sein.